Nektar unerlebter Erinnerungen

Nektar unerlebter Erinnerungen

Würde ein Mensch seine Auferstehung unbeschadet überstehen? Würde ein Toter seine geheimen Träume, seine Ängste und Hoffnungen, all das, was er auf seiner Ebene angesammelt hatte, nicht ins Leben mitbringen wollen? Träume, Hoffnungen, Erinnerungen, innerer Reichtum nennen wir so etwas. Sollten Verstorbene nicht genug davon angesammelt haben? Oder sprechen wir Lebenden den Toten solchen inneren Reichtum schlichtweg ab? So fragte ich mich. Das versuchte ich zu begreifen. Und deshalb würde jeder, der nicht bereit war mir zu folgen, wenn ich in meiner Schwester auch einen Schmetterling erblickte, der den süßen Nektar von unerlebten Erinnerungen schlürfte, der würde meine Kunst nicht verstehen können. Wer würde nicht verstehen, was meine Schwester damit meinte, als sie viele Jahre später zu mir sagte, ich hätte ihr die Augenlider aufgeschrieben, der würde auch niemals nachempfinden können, was es für mich bedeutete, meiner tot geborenen Schwester wider Erwarten einmal in die Augen schauen zu können. 

 

 

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